Drei starke Methoden zur Erhebung von Zahlungsbereitschaften

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Wie Sie die optimale Methode für Ihre Fragestellung finden.

 

Die möglichst genaue Bestimmung der Zahlungsbereitschaft für Produkte oder Services gilt als die Königsdisziplin der Marktforschung. Hier kann man als betrieblicher Marktforscher entscheidende Hebel im Unternehmen mitgestalten, interne Auftraggeber beeindrucken und viel Lob bekommen -  wenn man es richtig gemacht hat.

Gleichzeitig kann man auch sehr viel falsch machen, denn die Ermittlung von Effekten der Preiswahrnehmung gehört zu den Themen, die hinsichtlich ihrer Komplexität weit über die Erhebung deskriptiver Daten, etwa zur Beurteilung von Konzepten, hinausgehen.

Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt? Wann sollte man sie einsetzen? Was sind ihre Vor- und Nachteile?

 

1. van Westendorp Price Sensitivity Meter (PSM)

Dieses Verfahren wird in der betrieblichen Marktforschung gern und häufig angewendet, weil es kostengünstig und einfach zu implementieren ist.

Der "van Westendorp" ist ein Ansatz aus der Gruppe der direkten, aber ungestützten Preisabfragen (die Preise werden also nicht vorgegeben). Insgesamt werden diese vier Fragen gestellt:

  • Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als günstig?
  • Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als teuer, aber gerade noch akzeptabel?
  • Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als zu teuer?
  • Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als zu günstig, so dass Sie an der Qualität zweifeln würden?

Aus den Antworten aller Befragten auf diese vier Fragen lassen sich über ein Tool, das beispielsweise quantilope als Modul anbietet, sechs Preiskurven generieren. Die Kurven für „günstig“ und „teuer“ werden dabei zusätzlich invertiert dargestellt. Die Schnittpunkte der sechs Kurven geben eine Indikation für den optimalen Preis des bewerteten Produktes:

 

PSM Price Sensitivity Meter

 

Der Schnittpunkt von „zu günstig“ und „zu teuer“ wird als „optimaler Preispunkt“ bezeichnet. Auf diesem Level bewertet eine gleichgroße Anzahl Befragte den Preis als inakzeptabel (im positiven wie im negativen Sinne). Nach der PSM-Theorie sind in diesem Punkt die geringsten Kaufwiderstände auf Basis des Preises zu erwarten.

 

Das PSM hält darüber hinaus noch weitere Analyseergebnisse bereit: Im Sinne einer Preis-Range betrachtet man die Spanne zwischen dem Schnittpunkt „zu günstig“ vs. „nicht günstig (günstig invertiert)“ (untere Preisgrenze) und der Kreuzung von „zu teuer“ und „nicht teuer (teuer invertiert)“ als potenziell geeignetes Preisumfeld aus Konsumentensicht. Auch der sogenannte Indifferenzpreis (Schnittpunkt von „günstig“ und „teuer“) als alternativ möglicher Preisakzeptanz-Punkt liegt in der Regel innerhalb dieser Range. Der Indifferenzpreis wird häufig auch als erwarteter Normalpreis der Produkt- oder Servicekategorie bezeichnet.

 

Der „van Westendorp“ funktioniert gut bei:

  • eher günstigen Produkten
    (z.B. Fast Moving Consumer Goods)
  • Produkten, unter denen die Befragten sich konkret etwas vorstellen können (Produkte, die fast jeder dem Charakter nach kennt)
  • Produkte mit einer breiten Zielgruppe
    (Produkte, die für viele Personen in Frage kommen oder von vielen gebraucht werden)

Die Methode funktioniert weniger gut bei:

  • eher teuren Produkten (z.B. teure HiFi-Produkte)
  • Produkten, die für viele Befragte noch schwer „greifbar“ / vorstellbar sind, sei es aufgrund ihrer Neuheit oder ihrer Andersartigkeit
  • Produkten mit einer sehr spitzen Zielgruppe (bei einem Ferrari erfüllt der PSM nur dann seinen Zweck, wenn man ausschließlich Befragte berücksichtigt, die für einen teuren Sportwagen sehr affin sind, also Sportwagen-Enthusiasten)

 

Praxistipp

 

Dem Kritikpunkt bei der Anwendung des PSM für neuartige oder andersartige Produkte kann man in der Praxis in vielen Fällen aber vorbeugen. Um den Befragten eine Hilfestellung für die Einordnung des neuen Produktes und dessen Preisbereich zu geben, kann das Produkt im Wettbewerbsumfeld präsentiert werden, beispielsweise in einem Regal mit Konkurrenzprodukten. Damit verortet der Befragte das Produkt in einer Kategorie, sodass es bei der ungestützten Preisabfrage des PSM zu realistischeren Einschätzungen kommt.

Ein Fallstrick beim PSM ist, dass bei der Auswertung sehr darauf geachtet werden sollte, wen man befragt hat. Häufig muss man die Befragten bei der Analyse filtern, um nur wirklich „Produkt-Affine“ für die Preiskurven zu berücksichtigen, damit die ermittelten Preise nicht von Ablehnern des Produktes verzerrt werden. Die spannende Frage ist: Ab wann ist das Produktinteresse groß genug, so dass man jemanden im PSM berücksichtigt? Und wann sollte man das besser nicht tun? Je nachdem, wo man die Grenze setzt, erhält man andere Ergebnisse, da das Produktinteresse bzw. die Kaufbereitschaft und die Zahlungsbereitschaft in der Regel hoch miteinander korreliert sind. In der Praxis wird häufig die Top2 Box bei der Abfrage des Kaufinteresses genutzt, um den Sample Split in „Interessierte“ und „Nicht-Interessierte“ vorzunehmen. Mit automatisierten Tools sollte diese Art von Sensitivitätsanalyse bei jeder Anwendung des PSM durchgeführt werden, um die Robustheit der abgeleiteten Preisempfehlung zu testen.

Bei jeder Preisempfehlung auf Basis des PSM sollte berücksichtigt werden, dass der Fokus der Abfrage fast ausschließlich auf dem Preis liegt. Andere weitere Produkteigenschaften werden nicht mitbetrachtet und das Wettbewerbsumfeld findet keine Berücksichtigung.

Nichtsdestotrotz kann der „van Westendorp“, vor allem im Mix mit anderen Verfahren, eine praktikable und leicht verständliche Vorgehensweise sein, um sich dem Value Based Pricing (also der zielgruppenseitigen Zahlungsbereitschaft) zu nähern.

 

2. Gabor-Granger-Methode

 

Dieses Verfahren gehört ebenfalls zu den direkten, aber gestützten Preisabfragen (d.h. die Preise werden vorgegeben). Es geht primär darum herauszufinden, ob man bei bestehenden Produkten den Preis erhöhen kann, ohne dass der Produktabsatz (zu) stark sinkt. Man geht dabei folgendermaßen vor:

 

PSM Kaufwahrscheinlichkeit

PSM Kaufwahrscheinlichkeit

 

und so weiter. Empfehlenswert sind drei bis fünf  Preisstufen und Preissprünge in gleichen Abständen.

 

Über die Prozentverteilungen der skalierten Antworten aller Befragten kann sehr einfach eine Preis-Absatzfunktion erstellt werden, die anzeigt, ab welchen Preispunkten Schwellen bestehen, die die Zahlungsbereitschaft überproportional heben oder senken.

Wie beim „van Westendorp“ hängt die Preissensitivität sehr stark vom betreffenden Produkt sowie von der Wettbewerberaktivität im jeweiligen Markt ab. Wettbewerbereffekte sind in der Basisvariante der Gabor-Granger-Abfrage nicht vorgesehen, sollten aber in einer entsprechenden Pricing-Studie auf jeden Fall mit erfasst und in die Analysen einbezogen werden. Im Gegensatz zum PSM sind bei der Gabor-Granger-Methode allerdings Preisanker-Effekte systemimmanent, da der Befragte sich an vorgegeben Preisen orientiert. Hinzu kommt, dass bei der gestützten Preisabfrage auch nur ein gewisser Preisbereich untersucht werden kann.

 

3. Choice Based Conjoint

 

Die Choice Based Conjoint (CBC) ist das „eleganteste“ Vorgehen in der Preisforschung. Verschiedene Attribute von Produkten (darunter ist der Preis nur eines von mehreren, wenn auch ein sehr wichtiges) werden zu einem „Komplettprodukt“ kombiniert und in einer relativ realitätsnahen Auswahlsituation dem Befragten präsentiert. Bei der CBC, die zum Beispiel mit dem entsprechenden Modul von quantilope komfortabel erstellt und visuell ausgewertet werden kann, wird der Befragte gefragt, welches von mehreren Produkten er in einer Kaufsituation wählen würde. Er wird aufgefordert, sich ein Produkt auszusuchen oder auf „Ich würde keines der Angebote wählen“ zu klicken:

 

Choice Based Conjoint

 

Diesen Task führt der Befragte nicht nur einmalig aus. Stattdessen durchläuft er analog aufgebaute Screens etwa 10 bis 15 Mal. Die Kombinationen der Produktmerkmale werden nach Möglichkeit optimal durchmischt dargestellt, um möglichst viele Informationen zu gewinnen; man spricht hier von effizienten Designs. Gegebenenfalls können Restriktionen in das Design eingebaut werden (z.B., dass Produkte mit sehr aufwändigen Merkmalsausprägungen nicht gemeinsam mit einem sehr günstigen Preis präsentiert werden dürfen). Dies schränkt allerdings die statistische Qualität des Conjoint Designs ein und sollte daher nur von echten Experten angewendet werden.

 

Durch die kombiniert dargebrachte Beurteilung der Produkte werden die Nutzenbeiträge der einzelnen Produktmerkmale (wie auch des Preises!) indirekt gemessen. Es wird quasi ein „smarter Kniff“ angewendet, denn der Befragte wird nicht direkt nach dem Einfluss der Ausprägung einzelner Preispunkte, Produktausprägungen, usw. gefragt. Stattdessen werden Nutzenbeiträge von Merkmalsausprägungen auf statistischem Wege „durch die Hintertür“ ermittelt, beispielsweise über hierarchische Bayes-Schätzungen. Aus diesen Nutzenbeiträgen, auch Teilnutzenwerte einzelner Produktmerkmale genannt, lassen sich nun Kaufwahrscheinlichkeiten für jeden Befragten für das eigene, aber auch für beliebige Konkurrenzprodukte errechnen. Darüber hinaus lassen sich im Rahmen virtueller Marktsimulationen die Beiträge einzelner Produktmerkmale zur Kaufwahrscheinlichkeit und zur Zahlungsbereitschaft genau quantifizieren. In einem fiktiven Beispiel könnte z.B. herauskommen, dass Kopfhörer mit Bluetooth aptX aus Sicht der Befragten 20 Euro mehr wert sind als Geräte ohne dieses Feature. Besonders wertvoll bei der Anwendung der CBC Methode ist die Möglichkeit, alle Analysen mit Einbezug des Wettbewerbs durchführen zu können. In diesem Punkt hebt sich die Choice Based Conjoint stark von Methoden wie Price Sensitivity Meter und der Garbor-Granger-Methode ab.

Eine Choice Based Conjoint ist so etwas wie der „Goldstandard“ unter den Preisermittlungs-Verfahren, da es sich um ein indirektes Verfahren handelt, das nicht einfach den Befragten danach fragt, was ihm eine bestimmte Produkteigenschaft wert wäre.

 

Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile einer Choice Based Conjoint auf einen Blick
Choice Based Conjoint

 

Bei Verwendung einer CBC ist es sehr wichtig, das Conjoint Design sorgfältig aufzustellen und vor allem die enthaltenen Produkteigenschaften in der Befragung so gut zu erklären, dass sie „consumer-verständlich“ sind. Features, die von den Teilnehmern gedanklich nur als eine vage Ahnung bei der Entscheidung berücksichtigt werden, führen zu massiven Ungenauigkeiten und können die Ergebnisse im schlimmsten Fall unbrauchbar machen. Präzise und laienverständliche Erklärung dessen, was wir als Forscher meinen, ist also das A und O bei einer Conjoint (und gleichermaßen bei allen Preiserhebungs-Verfahren).

 

Zusammenfassung

 

Die Anwendungsmöglichkeiten sowie die Vor- und Nachteile der drei dargestellten Verfahren sind offensichtlich sehr heterogen:

  • Das van Westendorp Price Sensitivity Meter (PSM) überzeugt durch seine einfache Anwendbarkeit und die größtenteils standardisierte Analyse. Schwachpunkte hat die Methode vor allem bei teureren Produkten, sehr innovativen Angeboten und spitzen Zielgruppen sowie für Produkte in wettbewerbsintensiven Märkten.
  • Die Gabor-Granger-Methode hat ebenfalls nur geringe Hürden für eine schnelle und einfache Anwendung. Über die Integration der entsprechenden Skalen-Fragen können Sie ohne großen Aufwand Informationen zur Preissensitivität von Konsumenten erheben. Allerdings ist dieses Verfahren in aller Regel auf Preiserhöhungs-Szenarien bestehender Produkte limitiert, die der Befragte bereits kennt. Es wird nicht das Wettbewerbsumfeld berücksichtigt und Preise werden vorgegeben (Preisanker-Effekt).
  • Die Choice Based Conjoint ist die raffinierteste, aber auch komplexeste und aufwendigste Variante. Ein großer Vorteil ist, dass die Preisbereitschaft indirekt gemessen wird. Außerdem können die Preishöhen fein abgestuft in Relation zu den Ausprägungen anderer Produktmerkmale (z.B. Material, Verarbeitung, Feature-Integration, usw.) gesetzt werden, sodass über den Preis hinaus Insights zu zahlreichen anderen Produkteigenschaften gewonnen werden.

 

Fazit

 

Preisentscheidungen sind meist zentrale Weichenstellungen für die Zukunft eines Produktes oder sogar Unternehmens. Im Hinblick auf die Wichtigkeit solcher Entscheidungen sollten in Preisstudien nach Möglichkeit mehrere der skizzierten Verfahren gemeinsam angewandt werden. Beispielsweise können Sie die aus einer Choice Based Conjoint gewonnenen Preisbereitschafts-Indikationen sehr sinnvoll absichern, indem Sie im Fragebogen vor dem Conjoint Modul zusätzlich ein van Westendorp Price Sensitivity Meter integrieren.

Um Ihre Preis-Marktforschung zu professionalisieren, kombinieren Sie am besten die dargestellten Verfahren. Sie erhöhen dadurch nachhaltig die Qualität Ihrer Pricing Insights und Absatzprognosen. Ihre internen Auftraggeber werden es Ihnen danken.

 

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